Stück für Stück zum Sieg / Jonas Heise gewinnt den Landeswettbewerb 2019


Spitzenleistung aus kleinen Leisten: Die Oberfläche von Jonas Heises Gesellenstück besteht aus hunderten von kleinen Lamellen aus Oregon Pine. Diese hat der junge Tischler aus Duisburg zu einem ovalen Säulenmöbel verarbeitet. Die Jury zeichnet ihn dafür beim Landeswettbewerb „Die Gute Form 2019“ mit dem ersten Preis aus.

Die Preisträger im Wettbewerb "Die Gute Form" 2019

Das Siegerstück ist ein vollständig geschlossenes Möbel und kommt dennoch ohne jeglichen Korpus aus. Jonas Heise, der seine Ausbildung bei der Tischlerei Reichenberg-Weiss in Neukirchen-Vluyn absolviert hat, hat die freitragenden Laden an einer vertikalen Achse im Inneren frei drehbar übereinander angeordnet. Sie lassen sich alle um 360 Grad schwenken und geben so den Zugang in Innere frei. Die Jury lobt insbesondere die innovativen Details der Konstruktion: „Die Säule zeigt nach außen eine für das Auge kaum zu fassende, gleichsam flirrende Oberfläche mit großer Tiefenwirkung je nach Lichteinfall. Kleine Unregelmäßigkeiten, erzeugt durch schmalere Leisten, die etwas zurückliegen, brechen die serielle Strenge der Lamellen und unterstreichen die Lebendigkeit des Nadelholzes.“ Fast 1.000 Lamellen aus Oregon Pine hat Jonas Heise in seinem Stück verarbeitet. „Diese sind mit einer Nut versehen, in die ein Polymerkleber eingearbeitet ist“, erklärt er. „So bleiben die Leisten, die die Außenhülle des Möbels bilden, beweglich.“ Einige Leisten hat er absichtlich kürzer gefertigt als die anderen. Aus diese Weise entstehen vereinzelte, kleine Lücken, die die Optik des Stücks aufbrechen.

Platz 2: Eine Kombination aus Schmuckschränkchen und Sekretär
Ihr Gesellenstück nennt Merle Hellmann aus Lippstadt (Ausbildungsbetrieb: Brinkmann Innenausbau GmbH, Oelde) passenderweise Schmuckschrank „Sekretärin“. In der Tat erinnert ihr Möbel zur Schmuckaufbewahrung auch an einen klassischen Sekretär. „Ich wollte ein kleines Möbel bauen, in dem ich Schmuck und kleine Erbstücke aufbewahren kann“, sagt Merle Hellmann. „Einen Sekretär finde ich ein ganz spannendes Möbel und habe die Korpus-Form mit der Schrägen deshalb daran angelehnt – und die Form auch für das Gestell noch einmal aufgenommen.“ Die Jury belohnt die junge Tischlerin für ihre Arbeit mit dem zweiten Preis und lobt vor allem die stimmige Verwendung des hellgrauen Werkstoffs Valchromat in Kombination mit Eschenholz und Filz. „Die schräg gestellte Front benötigt keine Zuhaltung und ermöglicht bei aufgestellter Klappe gleich den passend geneigten Spiegel“, so die Jury. „Aus dieser Schräge und der richtigen Erkenntnis, die Standfläche nach vorne zu begrenzen, entwickelt sich folgerichtig das auf den ersten Blick recht eigenwillig erscheinende Gestell.“

Platz 3: Erst Skateboard, jetzt Sideboard
Das Sideboard von Maximilian Vogdt aus Dortmund (Ausbildungsbetrieb: Giese & Liebelt GmbH, Dortmund) basiert auf einem zunächst ganz konventionell erscheinenden Entwurf aus drei gleichen Korpuselementen aus Nussbaum mit MDF, die mit geringem Abstand nebeneinander aufgehängt sind. Der große Clou an diesem Möbel sind die farbigen Schichten aus 30 alten Skateboards, die kreuz und quer, wie mit dem Messer scharf hineingeschnitten, in das Möbel hinein und über die trennenden Abstände hinweg eingesetzt wurden. „Ich bin selbst früher viel geskatet“, sagt Maximilian Vogdt. „Ich fand es schön, ein Material zu verarbeiten, das eine gewisse Geschichte mitbringt. Jedes dieser Skateboards hat für jemanden Spaß bedeutet – bis es zerbrochen ist oder durch war und dann schließlich nun bei mir und in meinem Möbel gelandet ist.“ Die Jury urteilt: „Ein schönes Möbel, dessen jugendlicher Dynamik sich der Betrachter gerne ergibt.“

Drei Belobigungen
Neben den drei Siegern zeichnete die Jury drei weitere Stücke mit Belobigungen aus: Eine Belobigung erhielt Vincent Kreyenborg (Ausbildungsbetrieb: Schöpker holz-wohn-form, Emsdetten) für seinen Schreibtisch aus Eiche. Die Jury hebt bei diesem Tisch vor allem die sehr leichte, elegante Gestalt bei gleichzeitig erstaunlich gut funktionierender Statik hervor. Eine weitere Belobigung geht an den Johannes Krugmann (Ausbildungsbetrieb: RaumObjekt Hammermeister, Heinsberg) für sein mit Ahorn furniertes TV-Möbel. In die Oberfläche dieses sehr reduzierten Sideboards sind in unregelmäßig rhythmischen Abständen schwarz hinterlegte, feine Linien in das helle Ahornfurnier gezeichnet, die bewusst in der Breite minimal variieren. „Diese scheinbare Ungenauigkeit erzeugt eine lebendige Qualität, eine fast handschriftliche Anmutung der Oberfläche“, heißt es im Urteil der Jury. Ebenso eine Belobigung erhält die Kölnerin Marie-Charlott Stenzel (Ausbildungsbetrieb: Museum Ludwig, Köln) für ihren Schrank aus Rüster und hellgrauem Valchromat. Sie hat unterschiedlich große Quader, davon jeder ein Korpus mit Tür, auf einem Untergestell aus Metall zu einem Schrank zusammengesetzt. Die Jury belobigt die ganz aus der Konstruktion entwickelte Linienführung und die gelungenen Akzente, die von hoher gestalterischer Sensibilität zeugen.

 

Zwei Stücke mit Chancen beim Bundeswettbewerb
Experimentieren, kreatives Potenzial fördern und fordern – das ist das Ziel des Gestaltungswettbewerbes „Die Gute Form“. Seit über 30 Jahren zeigt das Tischlerhandwerk in NRW mit dem Wettbewerb und einer Ausstellung der prämierten Gesellenstücke, wie gestalterisch begabt die Nachwuchskräfte sind. Die drei Sieger dürfen sich über Geldpreise in Höhe von 750, 600 und 500 Euro freuen. Die Siegerstücke auf Platz 1 und 2 werden zudem im März 2020 beim Bundeswettbewerb im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse in München an den Start gehen.

Jurytext:
Ein Möbel aus Massivholz – und auch wieder nicht. Denn das Holz, rötliches Oregon Pine, wurde zerlegt in unzählige dünne Leisten und wieder neu zusammengesetzt zu einer Ummantelung aus ganz feinen Lamellen.

Diese umgeben mit kleinen Abständen wie bei einem Kamm die elliptische Grundform der Stele und passen sich dabei flexibel auffächernd der Krümmung an. Wie zufällig streift ein kreisrunder Einsatz in der oberen Lade die Lamellen von innen und erzeugt eine kleine, natürliche Bewegung auf der Außenhülle. Die Säule zeigt nach außen eine für das Auge schwer zu fassende, gleichsam flirrende Oberfläche mit großer Tiefenwirkung, unterschiedlich je nach Lichteinfall.

Kleine Unregelmäßigkeiten, erzeugt durch Leisten, die etwas zurückliegen, brechen die serielle Strenge und unterstreichen die Lebendigkeit des Nadelholzes. Konstruktiv sind freitragende Schwenkladen an einer vertikalen Achse im Inneren frei drehbar übereinander angeordnet und enden oben mit einem flachen Deckel. Mit großer und selbstverständlich erscheinender Einfachheit steht die Stele vor uns und lässt die innovativen Details der Konstruktion nur erahnen.

Jonas Heise erhält für den Säulenschrank in Oregon Pine und HPL den ersten Preis.

Jurytext:
Ein kleiner hellgrauer Korpus auf einem hohen Holzgestell, das auf den ersten Blick seltsam eigenwillig erscheint und vielleicht an ein Insekt oder an einen humanoiden Roboter erinnern mag.

Dabei ist die Gestaltung dieses Möbels zur Schmuckaufbewahrung offensichtlich ganz aus der Überlegung zum Gebrauch entstanden. Die schräg gestellte Front benötigt keine Zuhaltung und ermöglicht bei aufgestellter Klappe gleich den passend geneigten Spiegel. Aus dieser Schräge und der richtigen Erkenntnis, die Standfläche nach vorne zu begrenzen entwickelt sich folgerichtig das Gestell.

Materialgerecht, dieses etwas aus der Mode geratene Wort drängt sich auf, so treffend sind hellgrauer Werkstoff, Eschenholz, Filz, schwarze Scharniere und orangefarbene Schnur kombiniert.

Für dieses bis ins Detail ganz durchgearbeitete und stimmige Möbel erhält Merle Hellmann den zweiten Preis.

Jurytext:
Dieses Sideboard basiert auf einem zunächst ganz konventionell erscheinenden Entwurf aus drei gleichen Korpuselementen aus Nussbaum mit MDF, die mit geringem Abstand nebeneinander aufgehängt sind.

Mit großer Unbekümmertheit sind dann aber schräg, kreuz und quer wie mit dem Messer scharf hineingeschnitten, farbig gestreifte schmale Schichten in das Möbel hinein und über die trennenden Abstände hinweg eingesetzt.

In einem mehrstufigen und sorgfältig durchgeführten Transformationsprozess sind aus alten Skateboards die Flächen mit den farbig sortierten Linien entstanden. Ein schönes Möbel, dessen jugendlicher Dynamik sich der Betrachter gerne ergibt und für das Maximilian Vogdt von der Jury mit dem dritten Preis ausgezeichnet wird.

Jurytext:
Mit selbstbewusster Geste, fast schwebend streckt sich die Platte dieses Schreibtischs in Eiche seinem Benutzer freitragend entgegen. Das in Massivholz ausgeführte Untergestell ist weit nach hinten geneigt und reduziert die Auflage der Platte auf ein kaum glaubliches Minimum.

Der flache Aufsatz führt die dynamische Silhouette der Seitenansicht konsequent fort. Der Tisch verfügt so über eine sehr leichte, elegante Gestalt bei gleichzeitig erstaunlich gut funktionierender Statik. Für diese gelungene Umsetzung der gestalterischen Idee erhält Vincent Kreyenborg eine Belobigung.

Jurytext:
Vier unterschiedlich große Quader, davon jeder ein Korpus mit Tür sind auf einem Untergestell aus Metall zu einem Schrank zusammengesetzt. Aus der Konstruktion ergeben sich Fugenlinien, die das Möbel gestalterisch wirkungsvoll gliedern.

Hellgrauer Holzwerkstoff und Esche wechseln sich ab und verstärken die Bildhaftigkeit der Oberfläche. Die markanten Griffausfräsungen wirken auf dem betont flächigen Möbel deutlich reliefartig und verweisen auf die Funktion. Die Jury belobigt Marie-Charlott Stenzel für die ganz aus der Konstruktion entwickelte Linienführung und die gelungenen Akzente, die von hoher gestalterischer Sensibilität zeugen.

Jurytext:
In die Oberfläche dieses ganz reduzierten Sideboards sind in unregelmäßig rhythmischen Abständen schwarz hinterlegte, feine Linien in das helle Ahornfurnier gezeichnet. So weit, so gut.

Bei genauerem Hinsehen aber stutzt der Betrachter, denn jede Linie verändert kontinuierlich minimal ihre Breite. Diese scheinbare Ungenauigkeit erzeugt eine lebendige Qualität, eine fast handschriftliche Anmutung der Oberfläche. Diese Individualität ist tatsächlich aber maschinell gefertigt und entstanden aus genauer Beobachtung eines konischen Werkzeugs in der CNC-Fräse. Die Jury belobigt Johannes Krugmann für dieses innovative Experiment.


Marion Großkemm
Innenarchitektin, großkemmrichard RICHARD ARCHITEKT, Solingen

Ralf Meyers
Architekt, Dombaumeister des Bistums Essen

Johannes Niestrath
Redakteur der Fachzeitschrift dds, Leinfelden-Echterdingen

Rainer Söntgerath
Vorsitzender des Vorstands von Tischler NRW, Köln

Hans Christoph Bittner
Formgebungsberater Tischler NRW, Dortmund